NPL #097 - Von Olderfjord zur Stohpojohka-Hütte

Heute ging es sehr zeitig los. Es war starker Westwind vorhergesagt, der nachmittags noch zunehmen würde. Ich lief also schon um 7 Uhr los, um die ersten Kilometer, die ich teilweise gegen den Wind laufen müsste, noch bei besserem Wetter hinter mich zu bringen. 

Erstmal ging es 8 km die Straße entlang, erst nach Norden und dann in Richtung Nordwest. Nachdem links ein Weg von einem Kraftwerk einbog, ging rechts ganz unauffällig der E1-Wanderweg von der Straße ab. Hinter dem Weidezaun entlang der Straße stand schon wieder eine ganze Herde Rentiere im Birkenwald, die aber verschwanden, als ich näher kam. Als nach ein paar Höhenmetern der Birkenwald aufhörte, sah ich sie wieder an der Seite stehen. Ich hielt an, so dass wir uns wieder eine Weile gegenseitig beobachteten. Mir wurde immer bewusster, dass dies die letzten Tage auf der Tour waren und ich wollte diese begegnungen tief in mich aufnehmen.

Hier oben in der offenen Landschaft nahm der Wind dann richtig Fahrt auf. Ich lief jetzt nach Norden, so dass er von links kam. Ich musste mich mit dem ganzen Körper dagegenlehnen und auch die Trekkingstöcke schräg setzen, um mich dagegen zu behaupten und nicht vom Weg herunter gedrückt zu werden. Rechts konnte man den Porsangerfjord erahnen, ansonsten ging es entlang einer Quadspur zwischen mehreren Seen hindurch. Markus hatte recht gehabt, der Zustand des Weges hier war wesentlich besser. Die nassen Bereiche hielten sich in Grenzen und es ging schnell voran. Eigentlich hätte ich heute noch viel weiter gehen können. Durch die Straße und den guten Wanderweg kam ich schnell voran und würde meine 20 km Tagesetappe schon 12 Uhr mittags geschafft haben. Aber der Wind nahm immer mehr zu. Ich muss aufgrund des Sturmes auf jeden Fall in der Stohpojohka-Hütte übernachten. Einen anderen Windschutz gab es auf den nächsten Kilometern nicht. 

Ungefähr einen Kilometer vor der Hütte kam mir ein Wanderer entgegen. Auch er kämpfte ziemlich mit dem Wind und er hatte noch die gesamte Strecke vor sich, die ich heute schon gelaufen war, um einen schützenden Unterstand zu finden. Ich wusste von der Wettervorhersage, dass bis 15 Uhr der Wind weiter zunehmen würde und es bis zum Abend stürmisch bliebe. Ich versuchte ihm zu erklären, dass es sehr gefährlich wäre, weiter zu laufen und dass er mit auf die Stohpojohka-Hütte kommen solle, die gleich käme. Er meinte, dass er nicht so gut Englisch spräche, aber dort hinten gleich eine Hütte käme. "Today it is a little bit HUIIIII". Ja, das beschrieb es ganz gut. HUIII war es wirklich. Ich versuchte noch einmal, ihm zu erklären, dass der Wind noch stärker würde und es keinen Windschutz für mehrere Stunden für ihn gäbe, aber er grüßte nett und ging weiter. Ehrlich gesagt, machte ich mir ganz schön Sorgen, aber was sollte ich tun. 

Gleich hinter der Anhöhe sah ich die Hütte. Als ich die Tür öffenen wollte, riss sie mir der Wind schon aus der Hand. Bloß rein hier und Tür zu. Ich hatte in der Hüttenbeschreibung gelesen, dass es nicht immer Feuerholz hier gibt, aber davon war glücklicherweise im Vorraum eine ganze Kiste vorhanden und als ich die Hütte betrat, war diese sogar warm. Jetzt verstand ich, dass der Franzose, den ich eben getroffen hatte, wahrscheinlich gerade erst von hier gestartet war. Im Ofen war noch Glut, so dass ich nur etwas Holz auflegen musste, um den Ofen wieder zum brennen zu kriegen. Der Wind rüttelte von außen an der Hütte und ich war froh, dass auch noch Wasser im Eimer vorhanden war und ich nicht sofort noch mal rausmusste. 

Ich machte es mit gemütlich, las das Hüttenbuch, kochte und schaute aus dem Fenster. Draußen zog eine riesige Herde Rentiere in einer langen Reihe entlang des Zaunes vorbei. Das war schon ein Schauspiel, wobei sie mir bei dem Wetter auch irgendwie leid taten. Morgen habe ich noch mal die Chance auf eine Hütte. Das ist dann die letzte vor dem Nordkapp.


 



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