NPL #101 - Von Skarsvåg zum Nordkapp

Der letzte Tag. Nur noch eine halbe Tagesetappe von Skarsvåg bis zum Ziel. Als wir uns überlegten, wann ich ankommen würde und wir die Rückfahrt buchen, war für den 09.09.2022 noch gutes Wetter angesagt. Das hatte sich jetzt geändert - Regen und Wind. Wie sollte es auch anders sein. Das Land zeigte sich noch mal von seiner nord-norwegischen Seite. Das letzte Mal das nasse Zelt abbauen - die Trennung in Innenzelt und Außenzelt war in letzter Zeit normal geworden, um so viel wie möglich trocken zu halten. Die Norwegenflagge, die ich am 18.05. im Straßengraben gefunden hatte und seitdem im Rucksack trage, hatte ich zum Zieleinlauf am Trekkingstock befestigt. Das letzte Porridge gab‘s zum Frühstück und noch 2 Müsliriegel für den Weg. So leicht war der Rucksack wohl noch nie. 

Und dann nahm ich die letzten 15 km auf das Nordkapp-Plateau in Angriff. Die Felsen in Skarsvåg waren voller Vögel und eine Rentierherde begleitete mich aus dem Ort heraus. Um die Laune bei dem schlechten Wetter hochzuhalten, hörte ich erst nochmal meine Wanderplaylist. Damit ging es besser die lange Steigung hinauf. Aber ein paar Kilometer vor dem Ziel nahm ich dann die Kopfhörer raus und ließ die gesamte Reise noch einmal an mir vorbeiziehen. Bei manchen Etappen am Anfang musste ich ganz schön nachdenken. Manches liegt gefühlt schon so lange zurück… Es ist unglaublich, was ich in der Zeit an vielen kleinen und großen Dingen erlebt und wie viele wunderbare Leute ich getroffen habe. Es ist wohl normal, dass man die meisten nicht wieder treffen wird. Mit vielen hätte ich mich gern länger unterhalten und mehr von ihnen erfahren. Aber auch das ist Norge på langs - man muss weiter, bevor der Winter kommt und der Herbst hatte ja schon voll zugeschlagen mit Temperaturen bis an den Gefrierpunkt. 

Auf den letzten Metern wurde ich von entgegenkommenden Autofahrern gefilmt und die Motorradfahrer grüßten mich mit Hupen und Handzeichen. Tauschen wollte wohl keiner mit mir, wie ich mich im Regen seitlich gegen den Wind gelehnt über die Hochebene kämpfte. Die Wolken hingen tief, so dass das Nordkapp-Plateau oben abgeschnitten war. Eigentlich erwartete ich vor der Nordkapphalle noch die Radarstation zu sehen. Die lag aber voll im Nebel, so dass ich auf einmal vor der Schranke zur Nordkapphalle stand. Ich ging zum Schalter und nahm mein kostenloses Eintrittsticket für Fußgänger entgegen. Auch der Mann am Schalter zeigte sich ziemlich beeindruckt von der Strecke, die ich zurückgelegt hatte. Insgesamt waren es über 2.550 km in genau 4 Monaten und 100 Wandertagen.

Ich wartete auf den Bus aus Alta, mit dem mein Mann heute morgen aufgebrochen war. Zusammen gingen wir zum Globus, der jedoch von vielen gleichbejackten Menschen in roten Anoraks mit neongelber Kapuze belagert wurde. Eine Invasion der Hurtigruten Expeditions. Alle hatten von ihrem Reisebus vor der Halle aus den Globus erreicht und feierten das. Nach 2.550 km Wanderung kann man da ruhig warten, sich kurz in der Halle aufwärmen, ein Glas Ankunftssekt trinken, welchen mein Mann mitgebracht hatte, den letzten Kvikk Lunsj essen - wie oft an den Abenden zuvor. Und dann noch mal raus in den Wind und Regen, die Trekkingstöcke mit der Norwegenflagge nach oben strecken - geschafft! Was das heißt, weiß ich noch nicht so genau. Kurzfristig erstmal keine Kälte und keine Nässe mehr. Alles andere kann ich noch nicht einordnen. Es wurde ruhiger in der Nordkapphalle. Die Uniformierten waren wieder abgereist, aber auch unser Bus fuhr bald. Beim Einladen der Rucksäcke traf ich dann noch einen Ultralight-Trekker (Cozy), der im letzten Jahr von München zum Nordkapp wollte und der aufgrund von Corona in Abisko nicht über die Grenze kam (siehe: http://www.landstreicher.blog). Dieses Jahr hatte er mit einer Freundin aus Luzern den Rest der Tour in Angriff genommen. Ich hatte im letzten Jahr interessiert seinen Blog verfolgt und fand es ganz schön hart, dass er abbrechen musste. Er hatte aus den Hüttenbüchern und von dem Dänen, den ich in der Nedrefosshytta getroffen hatte auch von mir erfahren. Es war nett, kurz im Bus noch unsere ähnlichen Erfahrungen der letzten Tage auszutauschen, bevor wir in Honningsvåg ausstiegen, während die anderen beiden nach Alta zum Flughafen fuhren. Abends dann noch eine leckere große Gemüseplatte essen - die Zivilisation hatte mich wieder. Morgen beginnt die Rückfahrt.



Kommentare

  1. Amazing Manja! You made it despite all the bad weather you had up North. I admire your strength. It was great to meet you near Arasluokta and in Ritsem. Enjoy the 2500 kms memories. Kind regards, Marianne

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  2. Congratulations, amazing Manja !!!
    Laurent

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  3. Wow, herzlichen Glückwunsch zur Ankunft trotz der widrigen Wetterverhältnisse in diesem Jahr. Wir haben deine Tour stetig verfolgt und freuen uns noch auf deine weiteren Berichte. :-)

    Erstmal wünschen wir dir aber eine gute Erholung und Aufarbeitung der Tour sowie tolle Erinnerungen daran. Stefan

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  4. Liebe Manja, Du bist so einzigartig!!! Komm gut wieder an! Liebe Grüße Brigitta

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  5. Danke für deinen Blog! Sehr spannend über deine Reise zu lesen! Nun bin ich angesteckt :-)

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  6. Liebe Manja, tolle Leistung und spannend geschrieben. Das wird mir nächstes Jahr sicher helfen!!!, Grüße, Barthel

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  7. Höchst spannend geschrieben mal wieder;)

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