NPL #087 - Von der Somashytta zur Nedrefosshytta

Wir hatten ja am Abend besprochen, dass wir früh starten wollten, aber die Amerikaner hatten Ihren Wecker auf 5:00 Uhr gestellt - finnischer Zeit! Unsere Mobiltelefone hatten sich ja aufgrund mangelnder Mobilfunkabdeckung noch nicht wieder ins norwegische Netz eingewählt, so dass es eigentlich erst 4:00 Uhr war. Aber egal. Wach ist wach und die Etappe heute würde lang und weglos sein. Die beiden waren schneller mit dem Packen und gingen vor mir los. Ich machte die Hütte noch ein bisschen sauber. Aber da die beiden gestern abend Holz gehackt hatten, war die Arbeitsteilung so ganz ok.

Am Anfang ging es durch die gestern erkundete Furt, die dann doch ein bisschen tiefer war, als gedacht, aber gerade noch ok. Gleich am Morgen traf ich auf eine Herde Rentiere, die jedoch schnell hinter dem nächsten Hügel verschwand. Ich hatte in der Vorbereitung der Etappe gelesen, dass ich mich immer links vom Fluss Hárvvesjohka halten muss, weil es irgendwann schwer wird, diesen zu queren. Das stellte sich als ziemlich hilfreich heraus, weil dieser Nebenfluss der Reisaelva recht schnell breit und tief wurde. Ansonsten versuchte ich in der recht flachen Landschaft so ziemlich den direkten Weg zu nehmen. Heute hatte ich Glück und konnte auf einem Berg Mobilfunknetz erhaschen und so kurz zu Hause anrufen und die Gemüter beruhigen bzw. die letzten Tage besprechen. Das tat wirklich gut. Der Abstieg von dem Berg ging dann über viele querverlaufende Steinstufen und Geröllfelder. Hier gab es jetzt auch wieder kleine Birken, die in Richtung Reisadalen immer dichter wurden. Schon von weitem sah man, wo sich der tiefe Einschnitt des Canyons durch die Ebene zog. Zwischendurch kam ich an eine Steinstufe, an deren Fuß viele kleine Wasserbecken waren, fast wie Badebecken und aus der senkrechten Felswand kamen Wasserfälle. Hatte fast ein bisschen was von Wellnessbad.

Waren auf der Hochebene noch die niedrigen Bodendecker und die Moore vorherrschend, die teilweise schon in roter Färbung leuchteten, wurde an der Kante des Reisedalen der Wald dichter. Und dann sah ich die ominöse Hochspannungsleitung, die ins Tal hinunterführte. Diese wurde von früheren NPLern als machbare Möglichkeit beschrieben, den steilen Abstieg ins Reisadalen zu schaffen, da diese Leitungen so gebaut sind, dass man sie im Notfall zur Wartung erreichen kann. Das heißt, dass der Bereich unter den Leitungen irgendwie begehbar sein sollte. Vor dem Abstieg musste ich jedoch noch ein bisschen ostwärts, um einen auch tief ins Gelände eingeschnittenen Fluss zu umgehen, bevor ich dann der Trasse folgen konnte. 

Entlang der Hochspannungsleitung hatte man einen tollen Blick in den Canyon der Reisaelva. Auch wenn der Abstieg hier machbar war, ging trotzdem über knapp 300 Höhenmeter ziemlich steil bergab und man musste sich über weite Strecken seitlich Stück für Stück den Berg hinuntertasten, da der Boden voll mit überwachsenen Steinen war.  Kurz vor Ende gab es in der Trasse dann noch einen ca. 50 m hohen Felsvorsprung, den man seitlich im Wald umgehen musste. Wenn man hier ausrutscht, findet man sich mal schnell ein paar Meter weiter unten wieder. Ich war echt froh, als ich den Teil hinter mir gelassen hatte. Und wie zur Belohnung fand ich unten im Tal wilde Himbeeren. Und das Ende August! Ich hatte mich schon ein bisschen geärgert, dass ich nach meinem Kampf mit den himbeerbewachsenen Kahlschlägen am Anfang der Tour später keine Sträucher mehr gesehen hatte, die Früchte trugen. Jetzt hatte ich wirklich nicht mehr damit gerechnet. 

Hier im Reisadalen traf ich den Nordkalottleden wieder. Durch meine Abkürzung quer durch das Fjell hatte ich einen Tag eingespart. Der Weg verläuft direkt entlang der Reisaelva, die sehr viel Wasser zu führen schien. Jedenfalls waren die Uferbereiche und Inseln im Fluss überschwemmt und auch der Weg stand manchmal unter Wasser, da dieses nicht in den Fluss abfließen konnte. Als der Weg dann etwas anstieg, wurde es trockener und es machte Spaß zu laufen, auch wenn sich der Weg bis zur Nedrefosshytta noch ganz schön hinzog.

Auf der Hütte traf ich einen dänischen und einen deutschen Ultralighttrekker. Der Deutsche war im April in Smygehuk im Süden Schwedens gestartet und ging E1. Der Däne war in der Gegenrichtung unterwegs. Da der Deutsche sich die Sauna anheizte und für den Rest des Abends dort verschwandt - wir machten uns dann schon langsam Sorgen - konnten der Däne und ich uns auf dänisch unterhalten, was sehr nett war. Es ist immer toll, interessante Menschen kennenzulernen. Wir redeten über alles mögliche. Er war in Grönland aufgewachsen und hatte in seinem Leben und durch seine Arbeit schon viele Orte bereist. Und er war, genau wie ich, in Vorbereitung einer Wanderung auch schon einmal rund um Bornholm gewandert. 

Als der Deutsche dann wieder auftauchte, fragte ich ihn, ob er über das Nabarplateau gehen würde oder weiter entlang des E1, was über 100 km länger ist. Er war der Meinung, dass es immer schneller ist, den Weg zu laufen als querfeldein. Nun, da hatten wir verschiedene Ansichten. Ich wollte versuchen, übers Nabar zu gehen, machte mir aber ziemliche Sorgen, den Aufstieg am nächsten Morgen aus dem Reisadalen auf die Hochebene zu schaffen. Aber eins hatte ich auf der Tour gelernt. Es bringt wenig, sich vorher verrückt zu machen, wenn man gar nicht weiß, wie es vor Ort aussieht. Und das würde ich frühestens morgen früh wissen.



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