Am Morgen hatte sich der Nebel verzogen. Es war jedoch ziemlich windig und die Zelte um die Hütte herum wurden ganz schön durchgerüttelt. Der Weg war einfach zu finden. Erst war die Landschaft wieder recht flach, aber In Richtung des Meekonjärvi autiotupa, welches auf der halben Strecke lag, wurde es dann abwechslungsreicher. Die Flüsse bildeten kleine Canyons und man kam an einigen markanten Felsen vorbei. Gestern hatten mir im Kuonjarjoki autiotupa jemand erzählt, dass am Meekonjärvi autiotupa die Brücke kaputt sei und man dort durch eine Furt müsste. Als ich jedoch da war, gab es dort eine Brücke und ich dachte, dass vielleicht die Info nicht richtig war. Bis jetzt waren der Weg und die Flussquerungen an diesem Tag jedenfalls nicht so problematisch gewesen.
Leider änderte sich das dann. Die Flussquerung, die gemeint war, kam nämlich erst später. Es war nicht die Brücke am Meekonjärvi autiotupa gemeint, sondern eine zwischen Pihtsusjärvi und Meekonjärvi. Diese hatte es im Frühjahr weggespült und sie war noch nicht wieder ersetzt worden. Statt dessen war eine Furt ausgewiesen. Als ich mich der Stelle näherte sah ich, dass diese Furt nicht einfach werden würde. Vor mir waren gerade drei junge Männer dabei, den Fluss zu queren. Das Wasser reichte ihnen bis Mitte Oberschenkel und teilweise höher und sie hatten auch ziemliche Probleme. Die Strömung war sehr stark und an mehreren Stellen sah man keine Steine aus dem Wasser ragen. Ein paar Inseln im Fluss ließen annehmen, dass der Wasserstand im Fluss derzeit sehr hoch war, da die Vegetation auf diesen Inseln teilweise überschwemmt war. Wahrscheinlich hatte es mit den starken Niederschlägen zu tun, die ich in Kilpisjärvi erlebt hatte. Ich schaute mir die Route an, die die Männer gingen. Man musste irgendwie versuchen, entlang der Inseln zu waten, was jedoch bedeutete, dann man auch Rinnen queren musste, wo das Wasser recht tief war und starke Strömung hatte. Das sah alles nicht gut aus. Ich ging den Fluss noch mal ein Stück zurück, fand aber auch dort keine bessere Stelle und diese hier wurde ja extra als Watstelle markiert, so dass ich annahm, dass das das geringste Übel wäre. Und irgendwie muss ich ja dort rüber. Also zog ich die Hose aus, steckte die technischen Geräte in die Jackentaschen, zog meine Barfußschuhe an und wagte mich in den Fluss. Die Steine waren extrem rutschig und die Strömung sehr stark. Ungefähr in der Mitte vom Fluss, das Wasser reichte mir bis zum Po, rutschte ich dann so weg, dass ich hinfiel und auf dem Rücken lag. Der Rucksack sog sich sofort mit Wasser voll. Glücklicherweise hatte ich die Regel beherzigt, den Bauchgurt und Brustgurt vor dem Waten zu öffnen, so dass ich den Rucksack abstreifen konnte. Dazu musste ich jedoch einen Trekkingstock loslassen, welcher sich sofort in der Strömung verabschiedete. Ich kam also wieder auf die Beine und konnte auch den Rucksack festhalten und wieder hinstellen. Jedoch war dieser so schwer, dass ich ihn nicht mehr auf den Rücken bekam, bzw. der Boden auch so glatt, dass ich bei den Versuchen immer wieder ausrutschte. Allein kam ich aus dieser Situation nicht mehr raus. Glücklicherweise saßen die drei Männer, deren Querung ich vorher beobachtet hatte, noch am Ufer. Ich winkte Ihnen zu, um zu signalisieren, dass ich Hilfe brauche und zu meiner Erleichterung machte sich einer der drei auf den Weg zur mir in die Flussmitte. Er nahm meinen Rucksack und führte mich durch den Fluss. Ohne Rucksack und mit meinem verbliebenen einzelnen Stock rutschte ich auf den Steinen noch mehrfach weg, aber irgendwann saß ich dann bei den Jungs auf der anderen Seite. Ich hatte überhaupt keine Energie mehr, als ich drüben war. Ich schüttete das Wasser aus. Das meinste war ja durch wasserdichte Packsäcke zusätzlich geschützt, so dass ich auch erstmal trockene Klamotten anziehen konnte. Die Jungs wollten weiter und fragten mich, ob ich klarkomme. Ich glaube, ich stand unter einer Art Schock, aber weiter konnten mir die Jungs ja auch nicht helfen, so dass ich sagte, dass alles ok wäre und sie aufbrachen.
Ich packte die Sachen zusammen und ging die restlichen 8 km bis zum Pihtsusjärvi autiotupa. Der Weg war zwar markiert, aber da der Originalweg eigentlich woanders verlief, war diese Strecke schlecht zu gehen und führte über größere Blockfelder, wo ich aufgrund meines Zustandes dann auch noch mehrfach wegrutschte.
Ich war froh, als ich am Autiotupa ankam. Dort traf ich meine "Retter" wieder, die auch froh waren, dass ich es bis dort geschafft hatte. Sie erzählten einem älteren Mann, der dort den Ofen gerade angeheizt hatte, von der ganzen Sache und der half mir gleich, die ganzen Sachen auszubreiten und zu trocknen. Er sprach zwar kein Englisch und ich kein Finnisch, aber mit Lächeln und Zeichen kamen wir gut weiter. Wenig später kam ein anderer Mann, der auch von Probleme bei der Furt hatte. Ich war wohl nicht die Einzige, die an dem Tag ins Wasser gefallen war. Zwei Tage vorher soll der Wasserstand wohl noch ganz ok gewesen sein. Da konnte man noch von Stein zu Stein gehen. Ein anderer Finne berichtete mir, dass meine Rucksackhülle gerettet wurde, die auch weggeschwommen war und sich an ein paar Steinen verhangen hatte. Diese wäre jetzt aber auf dem Weg südwärts. Als er hörte, dass ich bis zum Nordkapp gehe, schenkte er mir seine Rucksackhülle, da ich diese brauchen würde. Er hat es nicht so weit und würde versuchen, meine auf dem Rückweg aufzugabeln. Ich hatte mich schon gefragt, wie ich ohne Rucksackhülle bis Alta kommen soll und jetzt bekam ich so ein großartiges Hilfsangebot. Und es half mir auch mental, dass er meinte, dass ich sehr stark wäre und das schaffen würde. Es ging ja auch nicht anders. Die nächste Ausstiegsmöglichkeit wäre sowieso erst wieder in 3 bis 4 Tagen Richtung Reisadalen gewesen.
Nach Kautokeino oder Alta sind es noch 5 oder 6 Tage. Die gilt es jetzt mit einem Trekkingstock zu bewältigen.
Das Foto ist diesmal nicht von mir, sondern von Markus Döring, der kurz nach mir dort vorbeikam. Danke, dass ich es verwenden darf.
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