NPL #058 - Von der Virvasshytta zur Bolnastua

Die Mücken haben mich nicht schlafen lassen. Im Laufe der Nacht haben sich 7 Leichen auf dem Fensterbrett angesammelt. Also stand ich halb vier auf und ging gegen 5 Uhr los. Ich wollte über die über 1000 m hohen Pässe sein, bevor der Sturm losging. Zwischen den beiden Pässen gab es dann auch noch eine anspruchsvolle Flussquerung mit Schuhwechsel.

Der sonnige Morgen im Fjell war wunderbar. Wenn man nicht wüsste, dass das Wetter bald wechseln wird. Und als ich auf dem 2. Pass war ging es los. Der Wind blies stark - glücklicherweise meist von hinten. Sonst wäre ein Vorankommen nicht möglich gewesen. Wenn er etwas von der Seite kam, schob er mich fast vom Weg. An steilen Abstiegen musste ich mich dagegen lehnen, damit ich nicht zu schnell den Berg hinunter gepustet wurde. Auch bei den Flussquerungen war es schwieriger, das Gleichgewicht zu halten. Es war so kalt, dass ich auch die Fleecejacke unter die Regenjacke ziehen musste. Dann kam ich an den Damm mit den „Gluckerlöchern“, den Simon in seinem Buch beschrieben hatte und danach ging es auf der Schotterstraße in Richtung Bolna. 

Als ich wieder Mobilfunkempfang hatte, bekam ich die Nachricht von meinem Mann, dass er meine neu besohlten Schuhe morgen vorbei bringen würde. Ich war total baff. Der Schuster hatte sich die Schuhe sofort vorgenommen, als er hörte, dass ich NPL laufe und 3 Stunden später hatte mein Mann die neubesohlten Schuhe wieder. 

Mir fiel ein, dass in Bolna eine Zugstation ausgeschildert war, als wir den Ausflug zum Polarsirkelsentret gemacht hatten, also schlug ich ihm vor, dass ich ihm mit dem Zug entgegen kommen könnte, damit sie nicht wieder die gesamte Strecke von Järpen bis hier hoch fahren müssen. Ich würde mich nachher am Bahnhof schlau machen. 

Der letzte Abstieg aus dem Fjell war sehr steil, was bei der Nässe extrem herausfordernd war. Meine Oberschenkel taten weh und waren total verkrampft. Damit wurde auch der Aufstieg auf die Brücke über seitlich angebrachte Stahlstufen nicht besser. Ich hatte nach dieser Etappe damit ganz schön zu kämpfen, dort rauf und wieder runter zu kommen. Unter normalen Verhältnissen kein Problem, aber heute…

Eigentlich hätte ich jetzt direkt zur Bolnastua einbiegen können, aber ich wollte ja noch zum Bahnhof. Also noch ein Stück die Straße entlang und dann den Berg hinauf. Am Bahnhof suchte ich vergeblich einen Fahrplanaushang. Jedoch öffnete sich die Tür vom Bahnhofhäuschens und eine Angestellte der Bahn fragte, was ich wolle. Als ich nach dem nächsten Zug südwärts fragte, sagte sie, dass hier kein Zug mehr halte. Etwas perplex fragte ich, warum das dann als Bahnhof ausgeschildert sein und sie lachte und fand das eine gute Frage. Die nächsten Bahnhöfe wären in Dunderland oder Lønsdal, jeweils 30 km nach Süden bzw. Norden und es führe ein Nachtzug und dann noch einer morgen Nachmittag. Sie bot mir sogar an, dass sie mich nach ihrer Schicht nach Lønsdal oder Dunderland fahren könnte. Das fand ich extrem nett, aber Nachtzug klang für mich nicht so gut, nachdem ich seit 3:30 Uhr auf den Beinen war. Komisch, dass in Norwegen sogar Bahnhöfe noch mit Personal besetzt sind, wo keine Züge halten. In Deutschland gibt es selbst an Bahnhöfen in Betrieb keine Bahnangestellten vor Ort und ich muss mich immer wieder wundern, welche großzügigen Hilfsangebote ich hier von fremden Menschen bekomme.

Jedenfalls telefonierte ich mit meinem Mann und der meinte, dass er eher mit dem Auto bei mir wäre, als ich mit dem Nachmittagszug weiter im Süden. Wir beschlossen, dass ich am Folgetag nach Lønsdal laufen solle und wir uns da treffen. Die Saltfjellüberquerung hatte sich aufgrund von Johannes‘ Infos zu Schneefeldern im blockigem Steindalen und der Wetterprognose der nächsten Tage dort (Regen und Nebel) sowieso erübrigt. 



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