NPL #052 - Vom Sivertgården nach Stekvasselv und Pausentag

War heute der Tag, an dem mein Olavsglück aufgebraucht war? In Bezug auf‘s Wetter hatte ich ja schon lange beschlossen, es einfach hinzunehmen und mich so gut es geht darauf einzurichten, mich aber nicht zu ärgern. 10°C und Regen - norwegischer Sommer eben. Man ist ja schon froh, wenn mal eine kurze Regenpause kommt und wenn kein Nebel ist, so dass man wenigstens sieht, durch welche grandiose Landschaften man läuft.

Jedoch hatten der Regen in Zusammenspiel mit der Schneeschmelze einen unübersehbaren Einfluss auf den Wasserstand der Flüsse. Flutgefahr war ja schon die gesamte Zeit im Nordland, aber solange die Bäche eher untergeordnet sind, kommt man mit nassen Schuhen (meine gehen bis Mitte der Wade) durch. Wenn man Pech hat, schwappt es oben rein. Da müssen dann trockene Socken ran, wenngleich der Sockenwechsel im Regen auch immer unangenehm ist.

Nun wurden die Flüsse aber so tief, dass ich die Wanderschuhe zum Waten gegen Barfußschuhe gewechselt habe, was im Regen auch immer blöd ist. Die Hosenbeine bis über’s Knie hochgekrempelt, ging es bei 5°C Außentemperatur hinein in das etwas über 0°C kalte Schmelzwasser. Man merkt, wie einem recht schnell das Gefühl in den Beinen verlorengeht. Außerdem muss man sich gegen die starke Strömung stemmen, wozu die Wanderstöcke eine große Hilfe sind. Danach raus aus dem Wasser, abtrocknen, anziehen, warmlaufen. 

An einem kleinen Bach nach knapp der Hälfte der Strecke ist es dann passiert. Eigentlich nur eine einfache Querung mit einem Trittstein in der Mitte, aber auf einmal brach der linke Stock und ich lag im Wasser. Erst mal raus und Schadensaufnahme: Wanderstock gebrochen, linkes Hosenbein komplett nass, linker Ärmel bis zum Ellenbogen nass, noch über 10 km bis zur Unterkunft. Das einzige was blieb war, sich trocken und warm zu laufen, denn Wind zum Trocknen gab’s genug. Noch eine Furt mit Schuhwechsel und das erste Mal mit nur einem Stock zum Abstützen. 

Und dann kam der Austre Tverrbekken. Keine Chance über Trittsteine rüberzukommen. Die gekennzeichnete Furt war viel zu tief. Eigentlich sollte man Flüsse nur bis Höhe Wade durchwaten, weil sonst die Strömung zu stark werden kann. Hier gab es aber keine solche Stelle und da die tiefe Stelle eher Richtung anderes Ufer war, konnte man auch nicht mit dem Stock prüfen, wie tief es eigentlich ist. Mut machte mir, dass an der Stelle eine Birke im Bach stand, an der man sich zur Not festhalten kann, wenn man das Gleichgewicht verliert. 

Was hilft’s. Hosen hochgekrempelt, Schuhe umgezogen und rein in die Strömung mit meinem verbleibenden Wanderstock. Der Anfang war nicht sehr tief, aber die letzten zwei Schritte gingen richtig tief runter, so dass mir das Wasser bis Mitte Oberschenkel reichte. Damit war natürlich alles wieder nass. Das Telefon hatte ich schon vorsorglich in die Jackentasche gesteckt. 

Ich war froh, dass ich da durch war, jedoch hatte ich Zweifel, wie die nächsten Furten würden. Außerdem blieben 2 Wandertage ohne 2. Stock, bevor ich Ersatz bekommen könnte. Ich war also ziemlich nass und voller Zweifel, ob ich nun doch wieder Straße laufen muss, weil es anders einfach nicht ging. 

Ich ging nach Stekvasselv, der nächsten Unterkunft. Kari und Håkon, die Besitzer, hatten im Vorfeld schon gefragt, ob ich was bräuchte, was sie einkaufen sollen. Pizza, Schokolade, Erdbeeren. Dann bekam ich eine Email, welches Haus es ist und dass alles im Kühlschrank steht. Unglaublich. Abends kam Håkon dann vorbei und ich erzählte von der tiefen Furt und dem gebrochenen Stock. Ich hatte überlegt, ihn um Werkzeug zu bitten, um ggf. die Reparaturhülse des Zeltgestänges einsetzen zu können und so die zwei Tage zu überbrücken. Håkon ging jedoch in den Schuppen und kam mit einem Paar Trekkingstöcke wieder, die er mir gab. Da so etwas immer mal passiert, haben sie ein paar vorrätig, die sie zum Einkaufspreis weiterverkaufen. Ich unterhielt mich noch mit ihm über die Strecke der nächsten 2 Tage und er schätzte ein, dass die Verhältnisse ok wären und die Furt heute die schlimmste war. 

Total beruhigt konnte ich meinen Pausentag nun genießen. Abends kam dann noch die Familie an, die ich schon mit dem Zelt getroffen hatte und die das andere Haus bezogen. 

Einen besseren Ort für einen Pausentag gibt es nicht und Kari und Håkon kümmern sich unglaublich um ihre Gäste und versuchen überall zu helfen. Zusätzlich helfen sie sich derzeit noch einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie. Es ist gut zu sehen, dass es so hilfsbereite und gastfreundliche Menschen gibt.

Und zur Frage am Anfang des Posts - nein, ist wohl noch was vorhanden. Det ordner seg!




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